Samstag, 27. September 2014

Der Grenzübergang

Simon und Alisa wollten von Jalta nach Chisinau (Moldau) mit dem Bus fahren. Zwei Tickets kosteten ca. 80 Euro. Ein voller Bus fuhr am Vormittag los. Die russische Grenzkontrolle hat uns über eine Stunde angehalten – die Check Point Behörden hatten mehrere Fragen zu einigen Fahrgästen. Ein Mädchen aus Transnistrien war bei einem Musikfestival in der Fuchsgrotte (Лисья бухта), nahe Gurzuf (Krim). Der Ort ist bekannt für FKK-Strände, Hippies und Musik. Das Mädchen trug kurze Shorts und hatte kaum Gepäck dabei. Dazu war sie ukrainische Bürgerin mit transnistrischer Anmeldebestätigung. Doch am Ende durften wir weiterfahren.

Am ukrainischen Grenzübergang wurde uns beiden befohlen, aus dem Bus auszusteigen. Eine ganze Roma-Familie musste auch raus. Nach langen Diskussionen ist der Bus ohne uns weitergefahren.

Fast Mitternacht am ukrainischen Grenzübergang. Die Mutter von vier Kindern, die davor kaum Russisch sprach, hatte die ukrainischen Grenzpolizisten in einer gnadenlosen Manier auf Russisch beschimpft. Man konnte diese „Redewendungen“ kaum ertragen. Sie hat ihm sogar zugesichert, er werde nie heiraten und Kinder bekommen. Wir standen fassungslos da…

Der Mann an der Grenze hat sich als Taras Deutz vorgestellt. „Ja, ja, ich habe deutsche Vorfahren“, bestätigte er. Unsere Presseausweise haben ihn kaum beeindruckt. „Es tut mir leid, aber ihr seid aus Moskau nach Simferopol geflogen. Nun versuchen Sie aus dem besetzten Gebiet das ukrainische Territorium zu überqueren. Das darf man laut Gesetz nicht.“ Laut seinen Aussagen, würde er uns durchlassen wenn wir in die Ukraine eingeflogen wären. 

„Falls Sie jemanden aus der Regierung kennen, können Sie ihn anrufen. Wenn jemand von oben mich kurz anrufen würde, dann könnte ich Sie durchlassen“. Doch wir kannten weder Jatzeniuk noch Turtschinow noch sonst jemanden.

In der Tasche waren nur 300 Rubel geblieben. Mit der Visa-Karte konnte man auf der Krim kein Geld mehr holen. Hotels akzeptieren nur Bargeld.

Taras meinte, er verstehe unsere schwierige Lage, doch das Gesetz sei ihm wichtiger. „Sie müssen jetzt nach Simferopol fahren und von da nach Moskau fliegen.“

Zwei Uhr nachts…Der ukrainische Grenzposten…Von zwei Laternen an der Grenze funktioniert nur eine. 

Taras will nichts hören…“Fahrt zu euren Moskali (Schimpfwort für Russen) und fliegt nach Moskau!“ Mit der Zeit ist der Kapitän Taras etwas gesprächiger geworden und hat uns auf einmal geduzt.  
   
-          Nehmt eure Rucksäcke und kommt mit zur Tankstelle. Ich gebe was aus.
-          Was gibt es denn um diese Zeit? Einen warmen Tee?
-          Nein. Wodka. Die Zigeuner dürfen nicht mitkommen. Nur ihr beide.

Wir kommen mit. Im Mai durften wir wegen dem fehlenden russischen Visum nicht auf die Krim, nun durften wir nicht aus der Krim raus.

Taras öffnet einen kleinen Schrank im hinteren Teil des Raumes. Die Tankstelle-Mitarbeiter schweigen und schauen uns geschockt an.

-          Keine Sorge Jungs. Das sind meine Freunde: Ein Deutscher und eine Moldauerin.
-          Jawohl, Kapitän!

Taras zieht den Rauch seiner Zigarette ein.

-          Taras, du rauchst „Sobranie“. Das sind russische Zigaretten. Sagtest du vorher nicht, du boykottierst alles aus Russland.
-          Tja…sie schmecken besser als unsere.

Im Schrank steht eine Flasche „Jack Daniel’s” und eine Flasche ukrainischer Wodka „Hlibni Dar“. Wir wollen nichts trinken, doch er gibt Alisa schon einen Plastikbecher mit Wodka.

-          Taras, ich kann das nicht trinken. Es ist spät und ich habe nichts gegessen und…ich mag keinen Wodka.
-          Stimmt, bei euch in Moldau trinkt man Wein. Dann nimm Fanta aus dem Kühlschrank und misch es zusammen.

Der Kapitän und die Mitarbeiter der Tankstelle setzen sich vor die Röhre. Die ukrainischen Sender zeigen Bilder aus dem Krieg im Osten des Landes. „Diese Scheißrussen wollen unsere Heimat zerstören“, sagt Taras und hebt seinen Becher hoch. „Es lebe die Ukraine, es leben die Helden!“

-          Apropos, Alisa. Welche Seite unterstützt du? Aber überleg es dir bevor du was sagst…
-          Ich unterstütze keine Seite. Simon und ich sind nur zwei Beobachter. Es tut uns sehr leid, dass Menschen auf beiden Seiten sterben und wir wollen nur Frieden.

Taras guckt in die Augen.

-          Habt ihr echt nur 300 Rubel in der Tasche?
-          Ja.
-          Es ist schon 3 Uhr. In 2,5 Stunden fährt hier ein Bus nach Simferopol. Von da könnt ihr nach Moskau fliegen. Ich rede mit dem Fahrer und ihr werdet nichts zahlen. Eure Kreditkarten funktionieren online und so könnt ihr Flugtickets kaufen.
-          Was werden wir diese 2,5 Stunden tun? Können wir die Grenze nicht anders überqueren?
-          Das glaube ich nicht. Überall sind Mienen.
-          Das wissen wir. Ein Kollege von dir…das war jedoch vor 3 Monaten, hat uns eine Geschichte erzählt. Eine Kuh wusste nicht, dass die Felder mit Mienen vollgestopft sind…das arme Tier ist spazieren gegangen.
-          An welchem Grenzübergang wart ihr damals?
-          An mehreren..das ist eine lange Geschichte.

Ein Mann tankt sein Auto. Wir fragen ihn ob er uns zur russischen Grenze bringen kann.

-          Zu diesen Faschisten?
-          Zu wem?
-          Na, zu den Russen. Ich nenne sie Faschisten! Es gibt keine Grenze. Die Krim ist ukrainisch!
-          Ukrainisch? Warum können wir dann dort raus und hier nicht?
-          Gut. Steigt ein.

Der Mann verkauft französische Bulldogen. Ein Welpe kostet zwischen 2000 und 5000 Euro.

-          Das sind die besten im ganzen Land. Ich verkaufe sie an reiche Russen und Ukrainer.

Im Kofferraum sitzen zwei Bulldogen und warten auf den nächsten reichen Kunden. Wir beide können weder lachen noch weinen. Das Ganze kommt uns wie in einem schlechten Film vor. „Moskali werden euch nicht durchlassen“, sagt der Mann und lässt uns an der russischen Grenze raus.

Drei kräftige Grenzpolizisten mit Kalaschnikows nähern sich.

-          Ach ja…die Hochli (Schimpfwort für Ukrainer) haben euch nicht rein gelassen?
-          Richtig. Sie sagten, ihr werdet uns auch nicht durchlassen.
-          Haha. Diese Idioten können alles erzählen, was sie wollen. Wo wollt ihr hin?
-          Nach Simferopol.
-          Passkontrolle und der nächste Bus kommt in ca. 2 Stunden.
-          Ja, das wissen wir. Vielleicht kann uns jemand mitnehmen? Es sind über 100 km und hier ist es sehr kalt.
-          O.K. Ich bitte jemanden von den Ankommenden, dass er euch zum Flughafen fährt.

Simon hatte ein Visum für eine zweimalige Einreise in die Russische Föderation. 
Wäre es nur für eine einmalige Einreise gültig gewesen, wäre er im Niemandsland festgesessen.
Weder die Ukrainer noch die Russen hätten ihn einreisen lassen.

Ein paar Minuten später steigen wir in einen VW. Der Mann heißt Grigori und sagt, er fahre Richtung Simferopol.

-          Der Typ an der Grenze erzählte, ihr dürft nicht in die Ukraine? Was wollt ihr da? Bleibt auf der Krim: Sonne, Strand und…es ist endlich Russland!

Eine schlaflose Nacht am Flughafen, wo wir gegen 5 Uhr ankommen. Um 12 fliegen wir nach Moskau. Die Last Minute Tickets waren teurer als die ganze Krim-Reise.

In Moskau stehen wir noch 6 Stunden im Stau und übernachten dort. Am nächsten Tag fliegt ein Transaero Boeing nach Berlin. 

1 Kommentar:

  1. Nun... das ist eine ganz schöne Scheiße! Schade wirlich... hätte mir mehr von euch gewüscht :(

    Hoffe in Berlin geht es euch gut und ihr erholt euch erstmal von dem Stress!

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